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Die Internationale Deklaration führender Expert*innen für ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) und Long COVID fordert eine globale und kollaborative Kraftanstellung, um die biomedizinische Forschung deutlich auszuweiten und die Entwicklung kurativer Behandlungsmöglichkeiten stärker voranzutreiben. Die Deklaration wurde auf der International ME/CFS Conference 2025 in Berlin von Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen (Charité – Universitätsmedizin Berlin) angekündigt. Seitdem erhält die Deklaration wachsende internationale Unterstützung und wurde von 65 internationalen Forschenden und medizinischen Expert*innen unterzeichnet (Stand 1. September 2025).

Die Deklaration weist auf die wachsende Gesundheitskrise hin, die durch ME/CFS und Long COVID entsteht. Sie stellt die moralische, medizinische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Notwendigkeit dar, die Forschungsanstrengungen zur Aufdeckung der Krankheitsmechanismen, die ME/CFS und Long COVID zugrunde liegen, zu verstärken. Regierungen und internationale Gremien werden aufgefordert, die Forschungsförderung für beide Krankheiten zu priorisieren. Die Unterzeichnenden betonen die dringende Notwendigkeit, mehr translationale und klinische Studien zur Untersuchung potenzieller Behandlungsoptionen umzusetzen, einschließlich Medikamenten, die für andere Erkrankungen zugelassen sind. Die Wissenschaftler*innen fordern darüber hinaus, Anreize für die aktive Beteilung von Pharma- und Biotechnologieunternehmen zu schaffen, damit diese in Forschung und Arzneimittelentwicklung investieren.

Weitere Forderungen sind die Notwendigkeit für aktive Partnerschaften der Forschungsgemeinschaft mit Patient*innen, damit gelebte Erfahrungen in Studiendesign, Ergebnismessungen und medizinische Versorgung einfließen. Die medizinischen Ausbildungssysteme werden aufgefordert, den aktuellen Wissensstand zu ME/CFS und Long COVID in ihren Lehrplänen zu berücksichtigen und so medizinisches Fachpersonal zu befähigen, Patient*innen eine zeitgemäße medizinische Versorgung zukommen zu lassen.

Der vollständige Text und die Liste der Unterzeichnenden der Internationalen Deklaration sind auf dieser Website verfügbar. Im Folgenden wurde der englische Originaltext der Deklaration auf deutsch übersetzt. Der von den Unterstützenden unterzeichnete Originaltext ist hier abrufbar.

Internationale Deklaration zur Unterstützung der Forschung und Arzneimittelentwicklung für ME/CFS und Long COVID

Präambel

Wir, die unterzeichnenden Ärzt*innen, Wissenschaftler*innen und führenden internationalen Vertreter*innen des Gesundheitswesens, bekräftigen die dringende Notwendigkeit, die wachsende Gesundheitskrise zu bewältigen, die durch Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) und Long COVID entsteht – zwei Erkrankungen, die sich als eng miteinander verbunden erwiesen haben und von globalen Unternehmen der biomedizinischen Forschung und Arzneimittelentwicklung weitgehend vernachlässigt werden.

Wir erkennen an:

  1. Dass Millionen von Menschen weltweit an postviralen Syndromen leiden, die durch krankhafte Erschöpfung, Post-exertionelle Malaise (PEM), autonome Dysfunktion, kognitive Funktionsstörungen und eine Vielzahl multisystemischer Symptome gekennzeichnet sind;
  2. Dass die COVID-19-Pandemie zu einem beispiellosen Anstieg der Inzidenz postakuter Infektionssyndrome (PAIS) geführt hat und dass viele dieser Patient*innen die etablierten Diagnosekriterien für ME/CFS erfüllen;
  3. Dass ME/CFS seit Jahrzehnten stark unterfinanziert ist, unzureichend erforscht wird und trotz der hohen Krankheitslast und der erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Kosten bisher nicht ausreichend verstanden wurde;
  4. Dass die derzeitige medizinische Ausbildung und die öffentliche Gesundheitsinfrastruktur nicht ausreichend darauf ausgelegt sind, diese komplexen chronischen Erkrankungen zu erkennen, zu diagnostizieren und zu behandeln.
  5. Dass die Arzneimittelentwicklung für ME/CFS und Long COVID in der etablierten Pharmaindustrie derzeit praktisch nicht vorhanden ist.
Wir erklären daher Folgendes:
  1. Globale Herausforderung und Verantwortung:
    Es existiert ein moralischer, medizinischer, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Imperativ, massiv in die internationale und kollaborative Forschung zur Pathophysiologie von ME/CFS und Long COVID zu investieren, mit besonderem Schwerpunkt auf immunologischen, autonomen, neurologischen und metabolischen Funktionsstörungen.
  2. Finanzierung und Infrastruktur:
    Regierungen, Gesundheitsministerien und internationale Gremien müssen ME/CFS und Long COVID als Erkrankungen mit hoher Priorität für eine gezielte Finanzierung einstufen, vergleichbar mit anderen chronischen Erkrankungen mit ähnlicher oder geringerer Krankheitslast und Prävalenz.
  3. Biomedizinische Forschung und Studien:
    Wir fordern eine weltweite Ausweitung klinischer und translationaler Studien zur Evaluierung therapeutischer Kandidaten, einschließlich umfunktionierter Medikamente, für ME/CFS und Long COVID. Pharma- und Biotechnologieunternehmen müssen aktiv eingebunden und inzentiviert werden, um in die Entwicklung von Therapien für diese Erkrankungen zu investieren, da der enorme medizinische Bedarf und das Innovationspotenzial derzeit ungedeckt sind.
  4. Patient*innenpartnerschaft:
    Forschung muss in aktiver Partnerschaft mit Patienten*innen durchgeführt werden, wobei gelebte Erfahrungen in Studiendesign, Ergebnispriorisierung und Versorgungsmodelle einfließen müssen.
  5. Aufklärung und Bewusstsein:
    Medizinische Ausbildungssysteme müssen ihre Lehrpläne rasch aktualisieren, um dem aktuellen Wissensstand zu ME/CFS und Long COVID Rechnung zu tragen und Kliniker*innen und andere Beschäftigte der Gesundheitsberufe zu befähigen, Patient*innen kompetent und mitfühlend zu versorgen.

Fazit

Die Zeit zu handeln ist jetzt. Die Last der Untätigkeit wird weiterhin vielen Menschen großes Leid zufügen und Gesellschaften, Volkswirtschaften und Gesundheitssysteme stark belasten. Wir sind vereint in unserem Engagement, wirksame Behandlungen für ME/CFS und Long COVID zu finden und allen Betroffenen Hoffnung zu geben.

Diese Erklärung wurde von weltweit führenden Expert*innen, Ärzt*innen, Gesundheitsdienstleister*innen und Wissenschaftler*innen unterzeichnet, die sich den Herausforderungen von ME/CFS und Long COVID stellen.

Erstellt am 12. Mai 2025

Die Internationale Deklaration zur Unterstützung der Forschung und Arzneimittelentwicklung für ME/CFS und Long COVID ist eine unabhängige Initiative der Unterzeichnenden. Die ME/CFS Research Foundation stellt die Deklaration im Namen der Unterzeichnenden auf ihrer Website zur Verfügung, da das Dokument erstmals auf der International ME/CFS Conference 2025 vorgestellt wurde, welche mit Unterstützung der Stiftung organisiert wurde.

Liste der Unterzeichnenden

Stand 1. September 2025 (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Ziyad Al-Aly, Prof. Dr., Washington University in St. Louis, USA
  • Anna Aschenbrenner, Dr., Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Bonn, Deutschland
  • Nina Babel, Prof. Dr., Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Lucinda Bateman, Dr., Bateman Horne Center Salt Lake City, Utah, USA
  • Uta Behrends, Prof. Dr., Klinikum der Technischen Universität München (TUM) und der München Klinik Schwabing, Deutschland
  • Judith Bellmann-Strobl, Dr., Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Jonas Bergquist, Prof. Dr., Biomedical Centre, Uppsala University, Schweden
  • Michelle Bull, Dr., Physios for ME, UK
  • Oliver Cornely, Prof. Dr., Uniklinik Köln, Deutschland
  • Jeroen den Dunnen, Prof. Dr., Amsterdam University Medical Center (UMC), Niederlande
  • Meike Dirks, Dr., Medizinische Hochschule Hannover (MHH), Deutschland
  • Wesley Ely, Prof. Dr., Vanderbilt University Medical Center, USA
  • Øystein Fluge, Prof. Dr., University of Bergen, Norwegen
  • Patricia Grabowski, Dr., Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Bettina Grande, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Tilman Grande, Dr., Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Kathryn Hoffmann, Prof. Dr., Medizinische Universität Wien, Österreich
  • Brian Hughes, Prof. Dr., University of Galway, Irland
  • Akiko Iwasaki, Prof. Dr., Yale University, USA
  • Leonard Jason, Prof. Dr., DePaul University, Chicago, USA
  • Anthony Komaroff, Prof. Dr., Brigham and Women's Hospital and Harvard Medical School, Boston, USA
  • Eliana Lacerda, Prof. Dr., London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM), UK
  • W. Ian Lipkin, Prof. Dr., Mailman School of Public Health and Vagelos College of Physicians and Surgeons of Columbia University, New York, USA
  • Sonya Marshall-Gradisnik, Prof. Dr., National Centre for Neuroimmunology and Emerging Diseases, Griffith University, Brisbane, Australien
  • Josef Mautner, Dr., Helmholtz Zentrum München, Deutschland
  • Olav Mella, Prof. Dr., University of Bergen, Norwegen
  • Alain Moreau, Prof. Dr., University of Montreal, Kanada
  • Luis Nacul, Prof. Dr., University of British Columbia, Vancouver, Kanada
  • Robert K. Naviaux, Prof. Dr., University of Californa San Diego (UCSD) School of Medicine, San Diego, USA
  • Peter Novak, Prof. Dr., Brigham and Women's Hospital and Harvard Medical School, Boston, USA
  • Michael Peluso, Prof. Dr., University of California San Francisco (UCSF), USA
  • Chris P. Ponting, Prof. Dr., University of Edinburgh, UK
  • Resia Pretorius, Prof. Dr., Stellenbosch University, Südafrika
  • Christian Puta, Prof. Dr., Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland
  • David Putrino, Prof. Dr., Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, USA
  • Herbert Renz-Polster, Dr., aktuell keiner Organisation angehörig, Deutschland
  • Gabriela Riemekasten, Prof. Dr., Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Lübeck, Deutschland
  • Peter Rowe, Prof. Dr., Johns Hopkins University, Baltimore, USA
  • Dominique Salmon, Prof. Dr., Paris Descartes University, Frankreich
  • Wakiro Sato, Dr., National Center of Neurology and Psychiatry (NCNP), Tokio, Japan
  • Birgit Sawitzki, Prof. Dr., Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Carmen Scheibenbogen, Prof. Dr., Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Elisabeth Schieffer, Dr., Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM), Marburg, Deutschland
  • Claudia Schilling, Dr., Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI), Mannheim, Deutschland
  • Georg Schlieper, Dr., Dialyse Hannover - Zentrum für Nieren-, Hochdruck und Stoffwechselerkrankungen, Deutschland
  • Martina Seifert, Prof. Dr., Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Nuno Sepúlveda, Prof. Dr., Warsaw University of Technology, Polen
  • Yehuda Shoenfeld, Prof. Dr., Tel Aviv University, Israel
  • Fridbjörn Sigurdsson, Dr., Landspitali - University Hospital, Reykjavik, Island
  • Kristian Sommerfelt, Prof. Dr., University of Bergen, Norwegen
  • Franziska Sotzny, Dr., Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Jürgen Steinacker, Prof. Dr., Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Deutschland
  • Michael Stingl, Dr., Dr. Michael Stingl Ordination, Wien, Österreich
  • David Systrom, Prof. Dr., Brigham and Women's Hospital and Harvard Medical School, Boston, USA
  • Karl Johan Tronstad, Prof. Dr., University of Bergen, Norwegen
  • Derya Unutmaz, Prof. Dr., The Jackson Laboratory for Genomic Medicine, USA
  • Janneke van de Wijgert, Prof. Dr., University Medical Center (UMC) Utrecht, Niederlande
  • Johanna (Anske) van der Bom, Prof. Dr., Leiden University Medical Center (UMC), Niederlande
  • Maria J. G. T. Vehreschild, Prof. Dr., Universitätsmedizin Frankfurt, Deutschland
  • Cordula Warlitz, Dr., Klinikum der Technischen Universität München (TUM) und der München Klinik Schwabing, Deutschland
  • Francisco Westermeier, Dr., FH JOANNEUM, Graz, Österreich
  • Klaus Wirth, Prof. Dr., Mitodicure GmbH, Deutschland
  • Rob Wust, Prof. Dr., Vrije Universiteit (VU) Amsterdam, Niederlande
  • Takashi Yamamura, Prof. Dr., National Center of Neurology and Psychiatry (NCNP), Tokio, Japan
  • Pawel Zalewski, Prof. Dr., Nicolaus Copernicus University, Torún, Polen